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Kinderschutz – ein Balanceakt: unser Thema im Juni

23. Mai 2022
Kinder haben in Deutschland das Recht auf Schutz vor körperlicher, sexueller und seelischer Gewalt. Was bedeutet das für die Arbeit in Kita und Schule? Wie übernehmen pädagogische Fachkräfte und Eltern gemeinsam Verantwortung für einen wirksamen Kinderschutz? Unsere Webinare zum Themenschwerpunkt geben Handlungsempfehlungen.

Kinder und Jugendliche wollen die Welt erkunden. Sie müssen Erfahrungen sammeln, um daran zu wachsen; dafür benötigen sie Freiraum und ein Umfeld, in dem sie sich sicher fühlen und entfalten können. Doch was ist, wenn ihr Vertrauen missbraucht wird? Wenn die kindliche Neugier an traumatischen Erlebnissen erstickt? Angesichts schwerwiegender Fälle von Gewalt an Kindern in der realen und in der digitalen Welt möchten so manche Erziehende die zarten Seelen am liebsten in Watte packen. „Kindheit und Jugend sind besonders schützenswerte Lebensphasen, weil die Heranwachsenden sich körperlich und geistig noch entwickeln“, erklärt Dr. Iren Schulz, Mediencoach bei der Initiative „Schau hin!“. Sie ist Referentin im RuhrFutur-Themenmonat Kinderschutz und stand unserer Redaktion schon im Vorfeld Rede und Antwort.
 

2 Kinder und eine Erzieherin spielen mit Bausteinen

Wer Erziehungsverantwortung trägt, ist immer wieder gefordert, Weichen zu stellen und Entscheidungen zu treffen: Wie viel Freiheit ist möglich, um Heranwachsende in ihrer Entwicklung zu fördern? Welche Grenzen sind nötig, um sie vor Schäden an Körper und Seele zu bewahren? Mit den Webinaren zum Thema Kinderschutz möchte RuhrFutur pädagogische Fachkräfte und Eltern aufklären, aufmerksam machen und ihre Handlungskompetenz bei diesem schwierigen Balanceakt stärken.

Wenn Schutzräume keinen Schutz bieten

Erfahrungen von körperlicher Misshandlung, sexueller Gewalt, Vernachlässigung oder psychischer bzw. emotionaler Misshandlung hinterlassen oft bleibende Spuren: Betroffene Kinder und Jugendliche leiden häufig unter psychosomatischen Störungen wie Schlafstörungen oder Bauchschmerzen, unter psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Essstörungen oder sie entwickeln sich nicht altersgerecht.
Seit 2012 regelt das Bundeskinderschutzgesetz den aktiven Kinderschutz in Deutschland; es setzt gleichermaßen auf Prävention und Intervention. Pädagogischen Fachkräften kommt, ebenso wie Ärzt*innen, beim Aufdecken von Gefährdungslagen von Kindern eine entscheidende Rolle zu. Besonders heikel sind Fälle, in denen Kinder in vermeintlichen Schutzräumen – etwa in der Kita oder im Elternhaus – Gewalt oder Vernachlässigung erfahren. Wie sollten pädagogische Fachkräfte in Kitas und in der Kindertagespflege im Falle eines Verdachts reagieren? Welche präventiven Konzepte gibt es, um Kinder besser zu schützen? Auch mit diesen Themen beschäftigen sich die Webinare von RuhrFutur.
 

Hinsehen und handeln!

Kinderschutz spielt während der gesamten Phase des Heranwachsens eine wichtige Rolle – von der Kita bis hin zur weiterführenden Schule. Allerdings unterscheiden sich die Schwerpunkte und somit die Herausforderungen, vor denen die Bildungsinstitutionen stehen. So gewinnt vom Grundschulalter an die Gewalt unter Kindern und Jugendlichen an Bedeutung. Unsere Webinare zum Themenschwerpunkt im Juni rücken den Fokus hier auf das einstige Tabuthema sexualisierte Gewalt, die vielfach unter Gleichaltrigen und am „Tatort“ Schule geschieht: Sie reicht von sexualisierten Grenzüberschreitungen wie anzüglichen Bemerkungen über das Grabschen bis hin zu körperlicher Gewalt.

Sexualisierte Gewalt in Wort und Tat erfahren Kinder und Jugendliche mitunter auch durch jene Menschen, die sie in ihrer Entwicklung begleiten und unterstützen sollen: zum Beispiel durch die eigenen Eltern oder durch Lehrkräfte, die ihre Machtposition missbrauchen. Hier gilt es ebenfalls, genau hinzuschauen, Signale wahrzunehmen und besonnen zu handeln. Es erfordert viel Einfühlungsvermögen, Kinder für die Problematik zu sensibilisieren, ohne Misstrauen und Ängste zu schüren. Sie brauchen Ermutigung, um auf ihr Bauchgefühl zu vertrauen, innere Stärke zu entwickeln und bei Unsicherheit das Gespräch mit Erwachsenen zu suchen.

Eine Gruppe von Kindern schaut auf ein Handy

Ein riskantes Spiel

Mit steigendem Alter verlagert sich das Thema Kinderschutz – ebenso wie die Lebenswelt der Heranwachsenden – mehr und mehr ins Netz. „Kinder und Jugendliche richten ihre entwicklungsspezifischen Fragen, zum Beispiel ‚Wie möchte ich sein als Mädchen oder Junge? Was ist attraktiv?‘, auch an Medienangebote und zunehmend auf Social Media“, beobachtet Iren Schulz.

Das sei einerseits ein tolles Spiel- und Erprobungsfeld und daher etwas Positives. „Aber die Angebote, in denen sie sich bewegen, bieten keine sicheren Räume.“ 

Plattformen wie TikTok seien so gestaltet, dass sie schon Grundschulkinder ansprächen, auch wenn das offizielle Mindestalter bei 13 Jahren liege. „Gerade im Bereich Social Media gibt es viele Grauzonen, zum Beispiel, weil die Betreiber nicht dem deutschen Recht unterliegen. Sie müssten stärker in die Pflicht genommen werden“, fordert die Medienpädagogin. 

Eine repräsentative Studie im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerks aus dem Jahr 2019 zeigt, dass mehr als die Hälfte der Kinder schon im Alter von sechs bis 14 Jahren über negative Erfahrungen bei der Nutzung von Online-Medien berichten: Kriminelle erschleichen sich ihr Vertrauen, um intime Fotos zu erpressen („Cybergrooming“); Mädchen und Jungen werden Opfer von Cybermobbing oder sind mit verstörenden Bildern konfrontiert. „Kindern keine Weltangst einzureden, sie aber auch nicht unbedarft in die digitale Welt hinaus zu lassen, ist eine große Herausforderung für Familien“, sagt Iren Schulz. 
 

Die Vorbildrolle ernst nehmen

Aufklärung tut not – der Bedarf an Fortbildungen rund um den Kinderschutz in der digitalen Welt ist dementsprechend groß. Die Medienpädagogin widmet sich in ihrem Webinar genau diesem Thema. Sie ermutigt Eltern, ein offenes Ohr zu haben, Plattformen und Spiele auszuprobieren, die ihre Kinder nutzen, und mit ihnen darüber ins Gespräch zu kommen. Transparente und verbindliche Regeln und Routinen, die zur Familie passen, könnten allen Beteiligten als Leitlinien dienen. Ferner appelliert Iren Schulz an die Vorbildfunktion der Eltern. Sie regt dazu an, die eigene Mediennutzung kritisch zu betrachten und beispielsweise gut abzuwägen, welche Fotos sie in ihrem Social-Media-Profil posten. „Was macht es mit meinem Kind, wenn es an seinem 18. Geburtstag seinen Namen googelt und sein ganzes Fotoalbum im Netz findet?“, gibt Schulz zu bedenken.

Pädagogischen Fachkräften empfiehlt sie aktive Medienarbeit mit Kindern und Jugendlichen: zum Beispiel gemeinsam ein (fiktives) Instagram-Profil anzulegen oder einen Stop-Motion-Film zu produzieren. Im praktischen Tun lernen Heranwachsende, wie die Mechanismen funktionieren; sie kommen über die Medien ins Gespräch und werden angeregt, Dinge zu hinterfragen. „Das ist besser als jede Theorie!“
 

Laut einer Studie der Landesanstalt für Medien NRW aus dem Jahr 2021 zur Mediennutzung Acht- bis 18-Jähriger wünschen sich Kinder und Jugendliche, dass Cybergrooming häufiger thematisiert wird.

 

(Autorin: Martina Biederbeck – silbenfisch Text & Konzept)

KONTAKT:

Clara Lina Wirz
Kommunikationsreferentin
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