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Mit Hammer, Pizza und Teamgeist zur Study Hall - Berufskolleg eröffnet innerschulischen Lernraum

29. April 2022
Zettel auf Tür mit Aufschrift: Willkommen in der Study Hall; Im Hintergrund: Drei Personen sitzen an einem Tisch
Das Berufskolleg am Goldberg bietet seinen Schüler*innen nun individuelle, bedarfsorientierte Lernmöglichkeiten in der Schule – außerhalb des Klassenraums. Die Lernenden können die Study Hall bereits seit Februar 2022 nutzen, offiziell eröffnet wurde sie diese Woche von der Bildungsdezernentin der Stadt Gelsenkirchen.

„110 Lehrer, 2500 Schüler und keinerlei Sozialräume, das ist das absolute Grundproblem hier an der Schule“, erzählt Nils Lau, Wirtschaftslehrer am Berufskolleg am Goldberg, bevor er den nächsten Schluck aus seinem Kaffeebecher nimmt. So habe dann auch die Entscheidung für die Teilnahme am „Study Hall“-Baustein des Programms Klasse!Digital „keine fünf Minuten gedauert“, berichtet Arno Günther, ebenfalls Lehrkraft am Goldberg. Beide sitzen an einem langen Konferenztisch im Lehrerzimmer, in ihrer Mitte Lisa Heinrich, Lehrerin für Mathe und Wirtschaft und wie ihre beiden Kollegen Teil des Teams, das an dem Schul- und Unterrichtsentwicklungsprogramm von RuhrFutur teilnimmt. Sie schließt sich ihren Kollegen an: „Es war für uns sofort klar, wenn dann machen wir Baustein 4 mit der Study Hall“. 
 

Zu jedem Bedarf der passende Baustein

Ihr Schulleiter Ralf Niebisch hatte die Kolleg*innen auf das Programm Klasse!Digital aufmerksam gemacht, welches Schulen in NRW in vier verschiedenen Bausteinen in ihren Entwicklungs- und Digitalisierungsprozessen unterstützt. Sie hatten die Wahl zwischen Baustein 3 und 4. Beide Bausteine richten sich an Schulen, die bereits einen Prozess der Schul- und Unterrichtsentwicklung durchlaufen haben und nun die Digitalisierung an ihrer Schule weiter vorantreiben möchten. Baustein 3 legt dabei den Fokus auf die (Weiter-)Entwicklung eines Medienkonzepts, wohingegen es im vierten Baustein um die räumliche Umgestaltung und die Schaffung innerschulischer Lernräume, sogenannter „Study Halls“, geht. 
 

Ein „perfect match“

Und genau das war es, was ihre Schule brauchte, da sind sich die drei Lehrkräfte des Gelsenkirchener Berufskollegs einig. „Wir haben durch Corona noch mal gespiegelt bekommen, in was für Verhältnissen unsere Schüler leben. Da wohnen acht, neun Leute auf 80 Quadratmetern. Die teilen sich zu viert ein Kinderzimmer und haben keinerlei technische Ausstattung. Die können dann nicht an einer Videokonferenz teilnehmen, weil sie noch parallel auf Geschwister aufpassen müssen“, berichtet Heinrich, „da wäre eine Study Hall einfach Gold wert gewesen.“ Genau deswegen war Baustein 4 für ihr Berufskolleg „ein richtiger Match, wie eine Steilvorlage“, so Lau. Denn der Baustein ist insbesondere für Schulen konzipiert, die individuelle Lernräume für Schüler*innen ohne häusliche Lernmöglichkeiten einrichten wollen. Study Halls sollen Schüler*innen unabhängig von ihrer persönlichen Lebenssituation die Möglichkeit geben, ohne Einschränkungen bedarfsorientier lernen zu können.

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Mann mit Gesichtsmaske
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mehrere Personen sitzen an einem Tisch
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Ein Mann auf einem grünen Sitzmöbel gestikuliert
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mehrere Personen sitzen an einem Tisch
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eine Frau sitzt an einem Tisch und schreibt
Alles „einfach mal“ umgesetzt

Das Konzept und die Inputs aus dem Programm wurden am Berufskolleg am Goldberg dann auch in Windeseile umgesetzt. „Anfang November haben wir uns für den Raum entschieden. Eine Woche vor Weihnachtsferienbeginn wurde dann abgerissen, im Januar gestrichen, Mitte Januar kamen die Möbel und am 1. Februar haben wir eröffnet“, rekapituliert Lisa Heinrich und wirkt dabei selbst etwas überrascht vom rückblickend sehr straffen Zeitplan. Damit hatte auch Dr. Petra Moog, die als eine von zwei Schulbauberater*innen die Klasse!Digital-Schulen aus Baustein 4 begleitet, so nicht gerechnet: „Ich habe diesen Input gegeben, diesen Impuls mit den ganzen Kriterien für diese sehr heterogene Gruppe von Berufskollegs bis Förderschulen. Und das Nächste, was von dem Berufskolleg kam, war: Das haben wir alles einfach mal umgesetzt. Das war unglaublich schnell. Ich war völlig überrascht, habe dann aber verstanden, dass die Kriterien, die ich da zusammengestellt habe, sie darin unterstützt haben, die richtige Vorauswahl zu treffen.“ 
 

Praktische Tipps dank Klasse!Digital 

Dass RuhrFutur und die Beratung im Rahmen des Programms Klasse!Digital an der schnellen Eröffnung ihrer Study Hall einen gewichtigen Anteil hatten, daran besteht auch für die drei Lehrkräfte kein Zweifel. „Ein Impuls, den wir daraus bekommen haben, war, dass es eben nicht der eine Raum der Study Hall sein muss, sondern dass es auch verschiedene Bereiche geben kann, die räumlich ein bisschen getrennt sind voneinander“, berichtet Lisa Heinrich und ergänzt als weiteres Beispiel die Möglichkeit der Raumbuchung über das an vielen Schulen genutzte Lernmanagementsystem IServ – eine Funktion, auf die sie durch das Gymnasium Harsewinkel im Rahmen von Klasse!Digital aufmerksam geworden waren. Das Gymnasium hat bereits vor mehreren Jahren seine Study Hall eröffnet und versorgt die Schulen im Programm immer wieder mit Anregungen aus der eigenen Praxis.
 

Auch mal unkonventionelle Wege gehen

„Ich glaube, bei uns ist einfach der große Vorteil, dass viele Sachen zusammenkommen“, erklärt sich Lisa Heinrich die schnelle, erfolgreiche Umsetzung ihres ambitionierten Vorhabens. „Einmal diese Impulse durch RuhrFutur, was das Gesamtkonzept angeht. Dann haben wir super viel Unterstützung von unserem Schulleiter. Der versucht, wirklich alles möglich zu machen.“ Und geht dabei - gemeinsam mit dem Kollegium - auch mal unkonventionelle Wege, wie seine drei Kolleg*innen zu berichten wissen. So wurde beispielsweise die Möblierung der Study Hall kurzerhand durch eine Sachspende über die Schulsekretärin organisiert. In der Firma ihres Mannes hatten die alten Büroschränke ausgedient. Nun bieten sie in der Study Hall am Goldberg nützlichen Stauraum für Lernmaterialien. 

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links: mit Kisten und Stühlen vollgeräumter Raum; rechts: Kickertisch mit "Spielzeiten"
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links: mit Kartons voll stehender Raum; rechts: weiße Stühle, Tisch, grüne Sitzbank
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links: alte, kaputte Schränke und Waschbecken; rechts: bunte Sitzgruppe
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Links: ein mit Stühlen vollgestellter Raum; rechts: Tisch mit Stühlen, Flipchart
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Schriftzug "Vorher - Nachher"
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links: altes Klassenzimmer mit Tafel; rechts: grüne Sitzlandschaft
„Abrissparty“ mit Pizza und Bier

Alle drei Mitglieder des Lehrkräfteteams sind sich einig: Ein entscheidender Erfolgsfaktor an ihrer Schule ist der, dass alle an einem Strang ziehen. „Wir hatten einfach das Glück, dass wir dieses tolle Kollegium und diese tollen Schüler haben, die uns unterstützt haben“, so Heinrich, „und ohne den Hausmeister wären wir auch aufgeschmissen gewesen. Auch jetzt noch. Wir hatten ganz viele hässliche Waschbecken an einer Wand, und ich glaube, ohne ihn würden die da immer noch hängen.“ Für die Lehrerin ist klar: „Jeder und jede Einzelne hat da irgendwie den Mehrwert geschaffen.“ Und das größtenteils nach Feierabend oder in der Freizeit. So wurde die Renovierungsaktion zur „Abrissparty“ mit Pizza und Bier. „Da saßen wir hier bis spät nachmittags, abends noch mit den Kollegen, mit den Schülern und die wollten eigentlich immer weitermachen“, so Religions- und Wirtschaftslehrer Arno Günther. „Da war einfach Stimmung da“, ergänzt sein Kollege Nils Lau.
 

Konzentriertes Lernen ohne Regeln

Nicht erst in den Umbauprozess der Räumlichkeiten haben die Lehrkräfte ihre Schüler*innen mit eingebunden. Bereits in der Planungsphase der Study Hall wurden die Wünsche und Bedarfe der Lernenden abgefragt und berücksichtigt. Dabei wurde klar: „Die Schüler wünschen sich einen Raum, der nicht wie ein Klassenraum ist, ohne diese ganzen Hausordnungen“, so Lau. „Wir haben uns also bewusst gegen Regeln entschieden“, ergänzt Lisa Heinrich, „man darf essen, man darf trinken, man darf kickern. Man darf Musik hören. Aber die Schüler machen das halt auch rücksichtsvoll.“ „Und wir haben gesagt, dass so ein enges Betreuungsangebot da ist und wir dann eher auf die Eigenverantwortlichkeit der Schüler setzen“, so Heinrich weiter. Mit dem Betreuungsangebot meint die Lehrerin die zwei Studentinnen, die sich die Beaufsichtigung und die Materialausgabe in der Study Hall teilen – an drei Nachmittagen in der Woche. „Dann kann jeder reinkommen, gibt kurz den Ausweis ab, sagt, hier, ich bin da, und kann sich auch seine iPads, seine Laptops ausleihen, was auch immer er dann braucht“, erklärt Lau. Vormittags hingegen können sich die Kolleg*innen mit ihrer jeweiligen Klasse über IServ einbuchen und die Study Hall zum offenen Lernen oder für die Prüfungsvorbereitung nutzen. Dieses „zweigleisige Konzept“, wie Lau es nennt, wird von allen dankend angenommen und bietet einen enormen Mehrwert – für die Lehrkräfte, aber insbesondere natürlich für die Schüler*innen.
 

Study Hall goes outdoor

Dennoch kein Grund für die drei Lehrkräfte, sich auf dem Erfolg auszuruhen. Nächster Schritt: die Erweiterung der Study Hall auf den Außenbereich. Ein erster Entwicklungsworkshop mit Klasse!Digital-Schulbauberaterin Moog hat bereits stattgefunden – natürlich gemeinsam mit Schüler*innen, Lehrkräften und studentischer Fachkraft. Ein Teil der Pläne soll noch vor den Sommerferien umgesetzt werden. Ganz nach dem Motto: Nach der Study Hall ist vor der (Outdoor) Study Hall.