Kommunikation und Kollaboration - Unser Thema im Oktober
Cornelia Ziegenbruch, Systemische Supervisorin (SG), Systemische Beraterin (DGSF), Lehrerin für Sonderpädagogik und Referentin unserer Veranstaltungsreihe "Gewaltfreie Kommunikation", hat uns Antworten auf unsere Fragen zum Thema gegeben.
Frau Ziegenbruch, was hat sich aus Ihrer Sicht in der Kommunikation in Schule in den letzten Jahren verändert? Was ist daran positiv, was negativ und wo sehen Sie noch Entwicklungspotenzial?
Cornelia Ziegenbruch: Wenn sich Menschen und Situationen verändern, hat das Auswirkungen auf die Kommunikation. Für Schule in den letzten Jahren heißt das:
- wechselnde Unterrichtssituationen – online und in Präsenz
- Arbeit mit Maske und in starken räumlichen Grenzen, um Infektionen zu verhindern
- viele krankheitsbedingte Ausfälle auf Seiten von Lehrkräften und Schüler*innen
- versäumter Unterrichtsstoff
- Digitalisierung
Das lässt sich weiter fortsetzen.
Dazu kommen die Forderungen, Inklusion umzusetzen, Ganztagsbetreuung anzubieten und mit unterschiedlichsten familiären Bindungen klarzukommen. Unser Lebens- und Arbeitstempo beschleunigt sich immer weiter.
Alle diese Komponenten spielen eine Rolle für die Gestaltung von Kommunikation.
Sie machen es viel schwieriger, gute und belastbare Beziehungen aufzubauen, die eine Grundlage für ein konstruktives und hilfreiches Miteinander sind. Die erwartete große Flexibilität, die vielen Vorgaben und der hohe Druck haben zur Folge, dass meine Kraft und Kreativität als Lehrerkraft und die Erfahrungen, dass ich wirksam sein kann, verloren gehen. Und wenn ich mich überfordert und hilflos fühle, gebe ich den Druck weiter, grenze mich ab, um quasi irgendwie durchzukommen.
Dabei wollen Lehrkräfte einen guten Job machen. Aber sie verlieren sich selbst in dieser Gemengelage – und erst recht ihre Schüler*innen.
Die Balance und die Blickrichtung auf Chancen und Möglichkeiten sind verloren gegangen.
Was ist die größte Herausforderung bei der Kommunikation in Schule? Und welchen Top-Tipp würden Sie Lehrkräften für eine bessere Schüler*innen-Lehrer*innen-Kommunikation geben?
Verhaltensauffälligkeiten nehmen gravierend zu. Der Stresspegel steigt immens, die Haut wird dünner und Eskalationen sind immer weniger zu vermeiden. Mir liegt es fern, einen Top-Tipp zu geben. Denn damit müsste alles schnell verändert und verbessert werden. Die eigene Haltung zu verändern, ist Arbeit und braucht Training, d. h. Zeit, Ausdauer, Mut. Und das ist nötig – zuerst für mich als Lehrkraft und dann für meine Schüler*innen.
Ein ganz entscheidender Punkt ist dabei meine Blickrichtung: Schaue ich auf das, was mich frustriert, nervt, schwierig ist, fehlt usw. oder auf das, was mich ermutigt, mir Hoffnung schenkt, auf Ressourcen und das, was möglich ist.
In die Richtung, in die ich schaue, „bewege“ ich mich.
Inwiefern gehen Kommunikation und Kollaboration für Sie Hand in Hand?
Es ist spannend, dass Sie den Begriff „Kollaboration“ verwenden, denn er ist zuerst negativ besetzt. Aber das lässt aufmerken und genauer hinschauen. Mich hat er dazu aufgefordert, der positiven Bedeutung auf die Spur zu kommen. Kollaboration meint eine schöpferische Beteiligung, eine geistige Kooperation und Zusammenarbeit.
Um das zu erreichen, brauchen wir eine Beziehung auf Augenhöhe. Das beinhaltet eine Haltung von Gleichwertigkeit und Respekt. Nur auf dieser Basis kann konstruktive Kommunikation gelingen.
Wenn ich verstehe, was mein Gegenüber sagt und meint, und wenn ich mich selbst entsprechend verständlich ausdrücken kann, entsteht die Bereitschaft, zusammenzuarbeiten.
Ab dem 24. Oktober startet bei uns Ihre Webinar-Reihe "Gewaltfreie Kommunikation". Welche Grundhaltung steckt hinter Gewaltfreier Kommunikation?
Jeder Mensch – egal zu welcher Zeit und in welchem Umfeld er lebt – hat Grundbedürfnisse, die bei allen gleich sind. Das führt zu einer Haltung von Wertschätzung und Respekt.
Gleichzeitig trainiert der Ansatz eine Beobachtung von Situationen ohne Bewertung. Das ermöglicht Begegnungen auf Augenhöhe.
Ich kann immer nur mich selbst ändern. Aber wenn ich eine neue Entscheidung treffe, hat das automatisch Auswirkungen auf mein Umfeld. Deshalb ist es wichtig, dass ich mich selbst gut kennenlerne. Ich entdecke meine Gefühle und was sie mir über meine Bedürfnisse sagen. Das, was ich brauche, kann ich in Form eines Wunsches oder einer Bitte mitteilen.
Diese Vorgehensweise ist zutiefst deeskalierend, eröffnet Chancen für hilfreiche Verhaltensweisen und bietet auch meinem Gegenüber die Möglichkeit, eine neue Entscheidung zu treffen.
Können Sie uns und den Lehr- und pädagogischen Fachkräften drei Tipps geben, um die eigenen Kommunikationsfähigkeiten zu stärken?
- Verzichte auf Bewertungen im Zusammenhang mit Situationen und in Beziehungen.
- Lerne Worte, die Gefühle ausdrücken, wie Vokabeln – es gibt viel mehr als „gut“ und „schlecht“ (Eine Liste, die M. Rosenberg erstellt hat, stelle ich in der Fortbildung zur Verfügung.) und entdecke deine eigenen Gefühle. Und nimm dir Zeit in Klassenstunden und anderen passenden Situationen, auch mit deinen Schüler*innen über Gefühle zu sprechen.
- Überlege dir, was deine Gefühle dir über deine Bedürfnisse sagen. Und frage dich, welche Bedürfnisse verbergen sich hinter den Gefühlen deiner Schüler*innen?
Sei neugierig und bereit, in gute Kommunikationswege Zeit, Kraft und Übung zu investieren. Es lohnt sich!
Frau Ziegenbruch, vielen Dank für das Interview.
Cornelia Ziegenbruch ist Systemische Supervisorin (SG), Systemische Beraterin (DGSF), Lehrerin für Sonderpädagogik und betreibt in Dortmund ihre Praxis für Systemische Supervision, Beratung und Fortbildung www.gutdurchdieschule.de/.
Bei RuhrFutur führt Sie die Veranstaltungsreihe "Gewaltfreie Kommunikation" durch, die am 24. Oktober zum wiederholten Male startet.
Alle Veranstaltungen zum Themenmonat:
KONTAKT: