Das Gelbe vom Ei - die Veranstaltungsreihe Experimente
Chemie in der Grundschule oder sogar in der Kita – muss das sein? „Je eher wir anfangen, Kindern naturwissenschaftliche Inhalte nahezubringen, desto besser sind sie in der Lage, diese zu behalten“, weiß Gisela Lück, Professorin an der Universität Bielefeld. „Die kindliche Wissbegier erleichtert schon früh den Zugang zu alltagsnahen Naturphänomenen.“ Die folgenden eineinhalb Stunden geben ihr recht: Bei den Live-Experimenten mischt der Nachwuchs der per Video zugeschalteten Teilnehmenden eifrig mit. Die Kinder sind neugierig, was mit den von Mama und Papa bereitgestellten Materialien passieren wird. Neben Eiern warten Gläser, Wasser, Essig, Zahnpasta und Zahnbürste auf ihren Einsatz.
Doch bevor es ans Experimentieren geht, schildert Gisela Lück, was sie am Ei so fasziniert: „Das Hühnerei steht einerseits für den Beginn des Lebens; andererseits vereint es anorganische Chemie, die Eierschale, und organische Chemie, das Innenleben, in einem einzigen Lebensmittel.“ Aus eben diesem Respekt vor dem Ei appelliert die Wissenschaftlerin daran, die Versuchsobjekte nach dem Experiment nicht zu entsorgen. Man könne eine leckere Eierspeise daraus zubereiten: „Bei mir gibt es heute Abend Geflügelsalat mit Ei und Ananas.“
Verpackungskunst
Dem Aufbau des Eis folgend, arbeitet Gisela Lück sich bei ihren Experimenten von der Schale bis zum Dotter vor. Wie viel Gewicht können Eierschalen tragen? Sie probiert es aus, indem sie halbierte, leere Schalen mit Büchern beschwert. Das Ergebnis lässt nicht nur die Kinder staunen: ganze vier Kilo tragen die zarten Schalen!
„Das ist die beste Verpackung, die die Natur mitgeben kann“, sagt die Referentin. Das Geheimnis der Stabilität liege zum einen in der Architektur des Eis, zum anderen in der gelungenen Kombination aus festen und federnden Materialien.
Was geschieht eigentlich, wenn ein rohes Ei zum Spiegelei wird? Wie hoch muss die Temperatur in der Pfanne sein, damit es fest wird? „60 Grad“, schreibt eine Teilnehmerin in den Chat. „Stimmt“, sagt Gisela Lück. Sie erklärt, dass die feinen Strukturen im Eiweiß schon ab 42 Grad beginnen, sich zu verästeln und zu vernetzen. Derselbe Effekt lässt sich aber auch ohne Hitze erzielen: mit Essigessenz oder hochprozentigem Alkohol. Während die Teilnehmenden dies zu Hause testen, folgt die wissenschaftliche Erklärung – und eine Warnung: „Das Experiment zeigt, was hochprozentiger Alkohol mit uns machen kann, deshalb zeige ich es gerne schon Viertklässlern. Eiklar wird durch Alkohol denaturiert – und unser Gehirn enthält viel Eiweiß!“
„Chemie ist einfach“
Wer hätte gedacht, dass sich so einfach die Brücke schlagen ließe vom Spiegelei auf dem Teller zu den kleinen grauen Zellen? Mit ihren anschaulichen Beispielen und ihrer spürbaren Freude am Forschen gelingt es Gisela Lück, Groß und Klein zu begeistern. Berührungsängste, die einige zuvor mit den Naturwissenschaften hatten, schmelzen dahin. „Chemie ist so einfach – sonst hätte ich das Fach nie verstanden“, gesteht die Professorin. Durch Zufall oder eher „Glück im Unglück“ gelangte sie schon als Vierjährige ans Experimentieren: Während eines längeren Krankenhausaufenthaltes munterte ein Arzt die kleine Gisela regelmäßig mit Fensterbank-Experimenten auf.
„Kinder lieben es, etwas mit ihren Händen zu tun“, vermittelt die Bielefelder Professorin den Lehrkräften und Erzieher*innen vor den Bildschirmen. Für das Experimentieren in Kita und Grundschule spreche auch, dass die Kleinen sich besser erinnern könnten, wenn sie einen Versuch selbst durchgeführt hätten. „Kinder sind beim Experimentieren ganz bei der Sache“, beobachtet Gisela Lück. „Auch Kinder mit Förderbedarf wie ADHS oder Kinder mit Fluchterfahrung kommen dabei zur Ruhe.“ Zudem steige das Selbstwertgefühl der kleinen Forscher*innen bei einem gelungenen Versuch und der Wissensvorsprung gegenüber den Eltern erfülle sie mit Stolz.
Zauber-Ei
Doch zurück zum Ei:
Beim nächsten Experiment geht es der Schale an die Substanz: Wie stabil ist sie gegenüber Chemikalien? Bei diesem Versuch lernen Groß und Klein viel über den eigenen Körper, denn Zähne und Knochen bestehen aus demselben Material wie das Hühnerei, nämlich aus Calciumkarbonat.
Das Experiment zeigt, wie zerstörerisch Essigsäure auf die Eierschale wirkt und dass sich dieser Effekt verhindern lässt, wenn man die Schale zuvor mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta behandelt.
Auf den Alltag übertragen heißt das: Zähne putzen schützt vor dem Angriff durch Milchsäurebakterien. Und eine säurearme Ernährung – wenig Fleisch, Fisch und Süßigkeiten – schützt die Gelenke vor Gicht und Rheuma. „Ein schönes Experiment für die Schule“, empfiehlt Gisela Lück.
Um ihren Vortrag abzurunden, nimmt die Chemie-Professorin die Nährstoffe des Eis unter die Lupe. „Ein Hühnerei gibt uns ganz viel – zum Beispiel wertvolles Fett, Protein und die Vitamine A, E und B1“, schwärmt sie. Gisela Lück beschließt das Webinar mit einer kleinen „Zauber-Ei“: Mithilfe von Unterdruck lässt sie ein gekochtes, gepelltes Ei durch den – physikalisch betrachtet – zu schmalen Hals einer leeren Milchflasche gleiten. Das gelingt ganz geschmeidig und ohne „Schweiner-Ei“. Die Referentin ist erleichtert, das Publikum staunt.
Nach kurzweiligen 90 Minuten ist es jetzt Zeit für letzte Fragen und Kommentare. Inhaltliche Fragen gibt es dank des gut strukturierten und verständlichen Vortrags nicht; stattdessen entsteht eine lebhafte Diskussion über Haltungsformen von Legehennen.
Die Referentin klärt auf und rät, Eier von freilaufenden Hühnern aus biologischer Haltung zu kaufen und diese maßvoll und mit Dankbarkeit zu verzehren. „Auch das habe ich bei meiner Beschäftigung mit dem Thema Ei gelernt.“ In den Chat-Kommentaren erntet sie für ihre wertschätzende Haltung und die praxisnahe Präsentation reichlich Lob und Dank. „Ich freue mich schon darauf, das Thema im Unterricht anzugehen“, schreibt eine Lehrerin neben die vielen anerkennenden Kommentare.